Apothekenzahl sinkt, Honoraranpassung fehlt

Gabriele Regina Overwiening

Artikel aus dem Handelsblatt Journal HEALTH vom 07.11.2023

In den vergangenen Wochen und Monaten hat es mehrere Proteste der Apothekerschaft gegeben. Diese Proteste sind ungewöhnlich für die deutschen Apothekenteams und als Notruf zu verstehen. Die Zahl der Apotheken sinkt seit Jahren. Mit 17.830 Apotheken wurde zur Mitte des Jahres 2023 ein neuer Tiefstand erreicht. Mit nur 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern fällt die Apothekendichte in Deutschland immer weiter hinter den EUDurchschnitt von 32 zurück.

Die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken im ersten Halbjahr macht deutlich, warum immer mehr Inhaberinnen und Inhaber schließen: Der Umsatz steigt zwar um 4,9 Prozent, doch noch viel stärker steigen die Kosten beim Wareneinsatz (5,7 Prozent) und beim Personal (6,6 Prozent), sodass das Betriebsergebnis vor Steuern um 4,9 Prozent sinkt. Dazu kommen noch Personalnot und Nachwuchssorgen. Die Apotheken brauchen hochqualifizierte Beschäftigte, die nicht nur heute, sondern auch noch morgen dafür sorgen, dass die Arzneimittelversorgung flächendeckend sicher funktioniert.

So zeigt der Apothekenklima-Index 2023, eine repräsentative Umfrage unter 500 Inhaberinnen und Inhabern, dass mehr als die Hälfte (55,0 Prozent) damit rechnet, höchstens eine ernsthaft interessierte Nachfolgerin für den Verkauf der Apotheke in den nächsten zwei bis drei Jahren zu finden. Darunter ist ein gutes Viertel der Befragten (27,8 Prozent), das sogar mit keinem einzigen ernsthaften Interessenten für die Apothekenübernahme rechnet.

Apotheken sind strukturell unterfinanziert

Im Schnitt versorgen die Apothekenteams täglich mehr als drei Millionen Patientinnen und Patienten. Das zeigt, wie wichtig Apotheken für die Menschen sind. Sie sind essenzieller Teil der Daseinsvorsorge in Deutschland und leisten einen großen Beitrag zum sozialen Frieden vor Ort. Apotheken sind die niedrigschwellige Pforte ins Gesundheitssystem und stellen eine unverzichtbare Säule der regionalen Infrastruktur für die Bevölkerung dar. Gerade während der Coronavirus-Pandemie und in der nun an den Apotheken zehrenden Lieferengpass- Krise wird deutlich, welche Bedeutung die Apotheken für die Versorgung vor Ort haben.

Doch ebendiese Arzneimittelversorgung durch die Apotheken ist seit langem strukturell unterfinanziert, da der Festzuschlag für rezeptpflichtige Arzneimittel seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr angepasst wurde. In der gleichen Zeit stiegen jedoch Aufwand und Kosten: Immer mehr Arzneimittel sind in Deutschland nicht mehr verfügbar, so dass der Mangel gemanagt werden muss. Die allgemein steigenden Kosten von Miete bis Energie belasten die Apotheken zusätzlich. Gleichzeitig müssen die Beschäftigten in den Apotheken fair vergütet werden. Stabile finanzielle Rahmenbedingungen sind unerlässlich, um dem Nachwuchs in der Apotheke eine Perspektive zu geben.

Deregulierung führt zu Leistungskürzung

Doch statt – wie im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt – die Apotheken vor Ort als ambulante Strukturen zu stärken, kommt das Bundesgesundheitsministerium nun mit einer Strukturreform-Idee um die Ecke, die – so die Hoffnung des Bundesgesundheitsministers – mittels Deregulierung neue Filialapotheken schaffen soll. Minister Karl Lauterbach hat sich dafür im September auf dem Deutschen Apothekertag schon viele Pfiffe und Buhrufe eingehandelt.

Weiten Teilen der Bevölkerung – gerade in strukturschwachen Regionen – dürfte allergings noch gar nicht bewusst sein, dass eine Deregulierung unausweichlich zu Leistungskürzungen führen würde, beispielsweise wenn Filialapotheken künftig keine Rezepturen herstellen oder Nachtdienste mehr leisten sollen. In ihrer „Düsseldorfer Erklärung“ fordert die Apothekerschaft von der Bundesregierung, die Wirtschaftlichkeitsorientierung im Gesundheitswesen zurückzudrehen, die bewährten Strukturen der Arzneimittelversorgung über die heilberuflich geführten Apotheken vor Ort zu stabilisieren, die Apotheken dauerhaft angemessen mit einem Festzuschlag von 12 Euro statt bislang 8,35 Euro je verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung zu vergüten – und diesen durch einen regelhaften Mechanismus jährlich mittels eines Dynamisierungsfaktors anzupassen.

Dafür werden die Apotheken und ihre Teams nun erneut protestieren: Im November werden wir jeweils mittwochs Woche für Woche, Region für Region, Ort für Ort groß angelegte Proteste durchführen. Denn die Menschen in Deutschland brauchen ein stabiles Netz an starken, inhabergeführten Apotheken mit umfassendem Leistungsspektrum und qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Im Schnitt versorgen Deutschlands Apothekenteams täglich mehr als drei Millionen Patientinnen und Patienten.

Gabriele Regina OverwieningPräsidentin, ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
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